Evangeliar

Beiträge "Auf ein Wort"

Und die Bibel hat doch recht: der erste Schöpfungsbericht!

Keine Sorge! Im Internet nennt man das „Clickbait“: eine Überschrift, die einen Aufreger enthält und die Menschen so zum Lesen animiert. Zuerst: Das wird hier kein Plädoyer für den Kreationismus, als die Auffassung, dass der erste Schöpfungsbericht wortwörtlich zu verstehen ist, Gott also in sechs Tagen diese Welt geschaffen hat und das erste Kapitel der Bibel so eine Art Rekonstruktion der Ereignisse darstellt, wie man sie bei „Aktenzeichen XY“ zu sehen bekommt. „Entweder man nimmt die Bibel wörtlich, oder man nimmt sie ernst!“, das ist ein guter Grundsatz für den Umgang mit der Heiligen Schrift. Auch die Redaktoren des Buches Genesis müssen das so gesehen haben, denn auf den ersten Schöpfungsbericht folgt sogleich ein zweiter, der aber eine völlig andere Erzählung bietet.

Nun aber: wenn er keine Rekonstruktion des tatsächlichen Ablaufs ist, wo hat er denn da recht? Es gibt viele Aspekte, die ich da benennen könnte, aber das würde zu umfangreich werden und ich will nur zwei für unsere Situation bedeutsame herausgreifen.

Wir leben in Zeiten von Corona und Lockdowns sowie Shutdowns, die diese Krankheit begleiten. In normalen Zeiten erscheint es mir relativ normal, dass ich ab und zu nachdenke: „Der wievielte ist heute noch mal?“ jetzt in den Zeiten von eingeschränkten Aktivitäten erwische ich mich bei der Frage: „Was für einen Wochentag haben wir eigentlich?“ Regelmäßige Aktivitäten geben einem ein Gerüst, eine Art Sicherheitsleine für den Alltag und sind deshalb wichtig und hilfreich. Sie geben Struktur. Und aus dem Einheitsbrei der Zeit wird etwas Ausgerichtetes: Es geht voran! Der erste Schöpfungsbericht legt auf diese Struktur, genannt „Woche“ hohen Wert, er verortet sie sogar in der Schöpfung selbst. (Übrigens: Vor 1700 Jahren hat Kaiser Konstantin der Große den „Sonntag“ zum Ruhetag im gesamten Römischen Reich erklärt). Eine solche Struktur gibt Sicherheit und ermöglich auch gemeinsames Tun. Sie ist uns geradezu in Fleisch und Blut übergegangen: Versuche in der Französischen Revolution und der Russischen Revolution „vernünftige“ Kalender einzuführen, die auf Zehnereinheiten beruhten sind nach kurzer Zeit aufgegeben worden.

Und das Zweite: Laut erstem Schöpfungsbericht schuf Gott Sonne, Mond und Sterne nicht zur Beleuchtung (Licht und Finsternis, Tag und Nacht werden bereits am zweiten Schöpfungstag geschaffen; Sonne, Mond und Sterne erst am vierten Tag), sondern um Zeitmessung zu ermöglichen und Festzeiten festzulegen. Im ruhigen Strom der Zeit, der schon durch die Woche gezähmt ist, braucht es eben auch Festzeiten, besondere Zeiten, Ereignisse die auf längere Sicht Struktur geben, Highlights, die den Alltag unterbrechen. Sie geben unserer Biographie Struktur und einen „roten Faden“. Für den einen ist es die Zeit vor oder nach der WM, die Zeit vor oder nach dem Schützenfest, der Geburt eines Kindes oder sonst einem wichtigen Ereignis. Und meist gehört zu so einem Ereignis eine Vorbereitungszeit, wie für Ostern die Fastenzeit oder Weihnachten die Adventszeit. Wenn sie fehlt oder übersprungen wird, kann sich das Fest nicht in seiner ganzen Fülle entfalten.

Sie sehen, wir haben eine ganze Menge Hilfsmittel, damit die Zeit in der wir leben, Struktur, Tiefe und Bedeutung erhält und weder im Falle der Überlastung noch der Unterforderung zu einem amorphen Brei wird, der über uns zusammenschlägt und uns unter sich begräbt. Obwohl nicht ganz passend will ich mit einem alten monastischen Spruch enden: „Halte die Regel, dann hält die Regel dich!“

Mit freundlichen Grüßen Peter Lauschus, Vikar