Evangeliar

Beiträge "Auf ein Wort"

Ist drin, was draufsteht?

Der dänische Philosoph und Theologe Sören Kirkegaard war kein bequemer Zeitgenosse. Er lebte in der 1. Hälfte des 19. Jhd. und wollte das verbürgerlichte Christentum, mit dem er konfrontiert war, provozieren und aufscheuchen – mit ironischen Bemerkungen und überraschenden Geschichten. In seinen Tagebüchern findet sich folgende Episode: Kirkegaard war Student in Kopenhagen und mit einem Korb Wäsche unter dem Arm unterwegs auf der Suche nach einer Wäscherei. In einer  Seitengasse fand er ein Geschäft, in dessen Schaufenster ein Schild stand: “Hier wird Wäsche gewaschen und gebügelt.“ Kirkegaard öffnet die Tür, setzt den Korb auf die Theke; ein Mädchen kommt, ihn zu bedienen. Doch als er auf den Korb deutet, lacht das Mädchen und sagt: „Mein Herr, Sie irren sich.“ – „Aber wieso“, stammelt Kirkegaard: „Hier steht doch: Hier wird Wäsche gewaschen und gebügelt!“  „Aber Sie sind nicht in einer Wäscherei. Sie sind in einer Fabrik für Schilder. Hier werden Schilder hergestellt, auf denen steht: “Hier wird Wäsche gewaschen  und gebügelt.“

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben, entdecken Sie in dieser Episode auch die versteckte Anfrage an unsere Kirche, auch hier vor Ort, an unsere  Gemeinden, an unseren Pastoralen Raum?

Ist hier bei uns wirklich zu haben und zu erleben, was  w i r „im Schilde führen?“ Ist in unseren Gemeinden auch drin, was draufsteht? Wir zeigen oft so viele „Schilder“ mit großen Worten: Gemeinschaft - Dienst - Nächstenliebe - Mitarbeit… Sind wir nur „Schildermacher“ oder können Menschen das bei uns wirklich finden?

Kirkegaards Tagebucheintrag stellt auch unsere jährlichen Prozessionen, die unter anderen Umständen zu dieser Jahreszeit stattfänden, auf den Prüfstand: Ist das, was wir aus unseren Kirchen durch unsere Orte im „Schaufenster“ der Monstranz ausstellen und tragen nur ein „Schild“, nur ein Hinweis auf ein Stück Brot – oder können die, die sich mit uns auf den Weg gemacht haben von dem zehren, was Jesus gesagt und getan hat? Erleben Menschen unsere Gemeinden als Orte, an denen man die Sorgen, die Nöte und Ängste und vieles mehr miteinander teilt? Hören die Menschen in unseren Gottesdiensten Worte, die ihnen Mut machen und aufrichten, die sie wieder kraftvoll in ihren Alltag hineingehen lassen – Worte, die so wichtig sein können wie das tägliche Brot? Sehen die Menschen an uns, an unserer Freude, hier und heute, an unserem Engagement, an unserer Offenheit, aus welcher Quelle wir leben? Sie finden sicher Antworten auf diese Fragen - vielleicht sogar in einer Pfarrgemeinderatssitzung oder einem anderen Gremium!

Eine gute Zeit wünscht Ihnen

Gottfried Rempe, Diakon