Liebe Leser,
wir werden am Allerheiligentag vor den Gräbern unserer Lieben stehen. Es waren unsere Eltern, Großeltern, Ehegatten oder Kinder; liebe Verwandte, Freunde oder Bekannte. Wir denken daran, wie gut es war, als sie noch mitten unter uns waren. Vielleicht leiden wir jetzt noch unter dem leeren Platz, den sie hinterlassen haben. Vielleicht sind wir jetzt noch mit Schmerz und Leid erfüllt.
Unser Glaube sagt uns, dass sie leben und bei Gott sind.
Ganz bewusst sollten wir deshalb am Montag an den Gräbern unserer Lieben sagen: Du bist nicht tot, du lebst bei Gott, er hat dir eine neue Heimat gegeben.
Denn so ist unser Besuch auf unseren Friedhöfen wie ein mächtiges Glaubensbekenntnis, das wir mit unserem Leben sprechen: unsere Lieben sind erlöst, sie sind aufgehoben und aufgenommen bei dir, du hast ihnen Heimat und Leben geschenkt. Herr, las mich nicht bei dem stehen, was ich sehen kann, las mich an die Auferstehung und an das Leben glauben und darauf vertrauen.
Nicht immer ist unser Denken an unsere Verstorbenen erfüllt von diesem Vertrauen, dass sie bei Gott sind – und dass sie bei Gott in guten Händen sind. Wir reden immer noch von den „armen Seelen“. Warum sollen die den arm sein – wenn sie bei Gott sind? Wer ist denn Gott, dass wir bei denen, die in seinen Händen sind, von „armen Seelen“ reden? Jesus hat vor seinem Heimgang zum Vater gesagt: „Ich gehe hin, um euch eine Wohnung zu bereiten“.
Und einem, der ein Verbrecher war, dessen Leben total verpfuscht war, der aber umkehrte, dem sagt er im letzten Augenblick seines Lebens: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!“ Kann es sein, dass unser Denken und Reden von „armen Seelen“ geprägt ist von einem Misstrauen gegen Gott, von einem fehlenden Vertrauen auf den guten und liebenden Gott?
Unsere lieben Verstorbenen sind bei Gott in guten Händen. Solch ein Glaube, solch ein Vertrauen sollte unser Gedenken in dieser Stunde prägen. Es gab in der Geschichte unseres Glaubens schon Zeiten, in denen dieses Vertrauen lebendiger war.
Nein, unsere Toten sind nicht die „armen Seelen“. Sie haben alles hinter sich, wovor wir noch Angst haben: das Sterben. Sie sind bei Gott, wir sollten mehr zu ihnen beten als ängstlich um ihr Seelenheil besorgt zu sein.
Ich glaube, die „armen Seelen“ sind eher wir, die Lebenden mit unserer Angst vor dem Sterben, die nur zu verständlich ist. Die „armen Seelen“ sind wir, voll von Misstrauen gegen Gott, von Unglück und Tod Bedrohte. Wir, mit unserem grübelnden Unglauben, die die Toten zu Gespenstern degradieren und aus dem gütigen und barmherzigen Gott einen herzlosen unbarmherzigen Richter machen. Erlösungsbedürftig angesichts des Todes sind nicht unsere Verstorbenen, erlösungsbedürftig sind wir, die wir leben.
Lasst uns miteinander glauben und vertrauen, dass unsere Verstorbenen bei Gott in guten Händen sind. – dass sie Leben in Fülle haben, dass sie am großen Fest ohne Ende teilnehmen dürfen.
Eine gute Woche wünscht ihnen
Manfred Lohmann
Schönstatt Diakonengemeinschaft