Evangeliar

Beiträge "Auf ein Wort"

Armes Deutschland?

Liebe Leser.
Ein Viertel der Menschheit verbraucht drei Viertel der Energie auf dem Globus, während der Mehrheit der restlichen drei Viertel gerade einmal ein Viertel der weltweit zu vorhandenen Energie zu Verfügung steht.
Mit der Gaswaffe Putins steigen die Energie- und Heizkosten ins schier unermessliche.
Mit den Millionen-Etats der europäischen Fußballclubs ließen sich die Haushalte zahlreicher afrikanischer Staaten sanieren.
Während die Formel 1 Milliarden Dollar auf den Rennstrecken dieser Welt verfährt, haben Abermillionen von Menschen nicht einmal die Möglichkeit, sich ein kleines Auto zu leisten.
Während bei uns Hunderttausende von Euros ausgegeben werden, damit Frauen ihre Haut zum x-ten Mal straffen und Männer keine Glatze mehr haben müssen, entbehren die meisten Menschen dieser Welt einer medizinischen Grundversorgung.
Das sind nur wenige Schlaglichter auf den Zustand unserer Welt.
Es war einmal ein reicher Mann,so heißt es im heutigen Evangelium, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag herrlich und in Freuden lebte.
Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war.
Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel.
Unsere Welt ist immer noch,trotz Ukainekrieg und seiner Folgen,die Welt dieses Reichen und des Lazarus.
Wir sind die Reichen. Der weitaus überwiegende Teil lebt aber wie Lazarus.
Das sollten wir uns hier in Deutschland immer wieder einmal vor Augen führen, wenn wir in die aktuellen Klage-Litaneien einstimmen: Wir klagen nämlich trotz aller widrigkeiten auf ziemlich hohen Niveau.
Oder, wie es mir einmal ein afrikanischer Mitbruder,meiner Ordensgemeinschaft, halb im Scherz, halb ernst sagte: "Wir in Afrika, hätten gerne Eure Probleme. ... Dann ginge es uns nämlich wesentlich besser als jetzt."
Damit will ich die Krise, in der sich unser Land befindet,überhaupt nicht schönreden. Aber etwas relativieren will ich sie schon.
Es liegt eine Art depressiver Schleier auf unserer Gesellschaft: Alles wird schlimmer. Immer mehr Kürzungen, Einsparungen. Ja, es gibt sogar eine steigende Tendenz zur Armut.
All das wiegt umso schwerer, weil wir das seit sage und schreibe sechzig Jahren nicht mehr gewohnt sind. Seit der Stunde Null, also nach Ende des Krieges 1945, ging es ja nur bergauf.
Die Bundesrepublik war das Wirtschaftswunderland. So stark, dass es sogar die neuen Länder im Osten sanieren konnte, ohne total bankrott zu gehen.
Sage und schreibe 70 Jahre lang ging es nur aufwärts, gab es immer nur ein Mehr, ab und zu mal ein Weniger.
Seit einem halben Jahr nun ist die Waage hin zum Weniger umgekippt. Das spürt jeder von uns, nicht nur diejenigen, die von Hartz IV betroffen sein werden.
Wie soll man dieser Entwicklung begegnen? Man ruft nach einem starken Staat, der eingreift.
Was sagt da die Kirche?  Ihr grundlegendes Prinzip heißt auf diesem Feld der Gesellschaft: Subsidiarität.
Hinter diesem Prinzip verbirgt sich – einfach gesprochen – dass jeder erst einmal für sich selbst verantwortlich ist. Wenn aber jemand aus eigenen Kräften seine Situation nicht in den Griff bekommen kann, hilft ihm die Solidargemeinschaft.
Diese Grundlinie katholischer Soziallehre bewahrt den Einzelnen davor, Opfer eines ungebremsten, kalten Kapitalismus zu werden. Gleichzeitig will sie die nötige Eigeninitiative gegen einen alles kontrollierenden Staatsapparat verteidigen.
Mir scheint, dass sich unsere Gesellschaft zu sehr auf den Staat verlassen hat. Der konnte – als es ihm noch gut ging – mit Vergünstigungen um sich werfen von denen andere Nationen nur geträumt haben.
Auch wenn es hart klingt, so meine ich doch richtig feststellen zu können, dass wir in der Bundesrepublik über unsere Verhältnisse gelebt haben. Wir haben uns an viele Annehmlichkeiten gewöhnt. Jetzt aber heißt es auch wieder zurückstecken zu können. Und das tut weh.
Wir haben,mit der globalisierten Weltwirtschaft, über unsere Verhältnisse gelebt. Eine neue Bescheidenheit täte uns gut. Das ist das, was wir neu lernen müssen.
Das Prinzip der katholischen Soziallehre, die Subsidiarität weist dazu einen guten Weg – in Deutschland, Europa und für die gesamte Weltwirtschaft, die aus den Fugen geraten ist.
Noch ist unsere Gesellschaft eher der reiche Mann als der arme Lazarus. Das sollten wir nicht vergessen.
Diakon Manfred Lohmann OCIC