Evangeliar

Beiträge "Auf ein Wort"

Meine Macken …

Sie ist meine Lieblings-Teekanne. Ein ganz lieber Mensch hat sie mir vor über 10 Jahren geschenkt. Ich benutze  die Porzellan-Kanne auch nur an besonderen Tagen. Bislang ging auch alles gut. Doch dann passierte es: Beim Spülen krachte ich mit einer ungelenken Bewegung mit der Spitze des „Ausgussrüssels“ an die Ecke des Spülbeckens. Und die Katastrophe war perfekt: Meine Lieblings-Kanne hat ein Macke! Ein Stück Porzellan war herausgebrochen. „Ruhig bleiben!“  - So habe ich versucht, mein Erschrecken über diese furchtbare Tragödie selbst zu überspielen. Schließlich war da ja doch die kleine Scherbe. Also: Alles gut trocknen, Klebstoff drauf, festhalten, trocknen lassen und dann: zusehen, wie die Scherbe natürlich nicht mehr hält. Es bliebt dabei: Meine Kanne hat ein Macke. Trauer, Resignation, Ärger über mich selbst … .

Eine Woche später: Ich benutze wieder meine Lieblings-Kanne. Ich schütte den Tee aus  - und siehe da: Ich komm aus dem Staunen nicht mehr heraus: Seitdem meine Teekanne diese kleine Macke an dem Ausguss hat, tropft sie nicht mehr beim Ausgießen!  Dies war nämlich bislang immer der Fall.

Nicht nur meine Teekanne hat kleine Macken. In meinem Alltag erkenne ich immer wieder in mir selbst solche kleinen oder auch größeren Unzulänglichkeiten. Das eine oder andere ist an mir nicht perfekt. Vielleicht war  das einmal anders:

Es gibt die Möglichkeit, dass Manches in meinem Körper nicht mehr so gut funktioniert, wie ich es über Jahrzehnte gewohnt war.  Es ist aber auch möglich, dass in meiner Seele nicht mehr alles so hell und strahlend ist, wie ich es sonst bei mir kannte. Das passiert dann oft durch  bestimmte Erfahrungen, die das Leben im Alltag nun mal so bereithält: Verletzungen, Enttäuschungen, ernüchterte Ideale und vieles Andere mehr. Dann kann sich bei mir die Macke des Missmutes oder der ständig nörgelnden Skepsis einschleichen. Das ist sicher nicht gut.

Aber: Die Macke an meiner Teekanne lehrt mich, dass nicht jede Macke an meinem Körper und in meiner Seele eine Katastrophe bedeuten muss. Manches ist ja durchaus noch zu reparieren: durch eine gute Behandlung oder eine einfühlsame Begleitung. Anderes aber wird einfach nicht mehr zu flicken sein. Vielleicht steckt aber gerade in diesen Bereichen meines Lebens etwas sehr Positives, das ich neu entdecken darf: etwa ein wenig mehr Verständnis für Menschen, denen es jetzt ähnlich wie mir geht. Oder die grundsätzliche Annahme der Tatsache, dass ich nun ein einmal als Mensch begrenzt bin und Gott nicht verlangt, dass ich jenseits des Leistbaren mein Leben lebe.

Vielleicht ist gerade die Karnevalszeit die Gelegenheit schlechthin, wieder neu mit einem liebevollen und humorigen Blick auf unsere Macken zu schauen.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche mit dem wachen Blick dafür, dass gerade in unseren kleinen Macken viel Gutes stecken kann!

Edgar Zoor, Krankenhauspfarrer