Evangeliar

Beiträge "Auf ein Wort"

Warten

Liebe MitchristInnen,

ich bin dran mit AUFEINWORT. Aber ich habe keine gute Idee, die ich mit Ihnen teilen könnte, ohne Sie zu langweilen. Mein Mitbruder, P. Josef verwies mich auf einen Text von Anselm Grün über das Warten. Und der ist gut, weil das eine gute Frage für Christen im Advent ist.
Diesen Text möchte ich mit Ihnen an dieser Stelle teilen:

Das deutsche Wort „warten“ meint eigentlich, auf der „Warte“ wohnen. „Warte“ ist der Ort der Ausschau, der Wachturm. Warten meint also: Ausschau halten, ob jemand kommt, umherschauen, was alles auf uns zukommt. Warten kann aber auch heißen: auf etwas Acht haben, etwas pflegen, so wie der „Wärter“ auf einen Menschen aufpasst und auf ihn acht gibt. Warten bewirkt beides in uns: die Weite des Blickes und die Achtsamkeit auf den Augenblick, auf das, was wir gerade erleben, auf die Menschen, mit denen wir gerade sprechen. Warten macht das Herz weit. Wenn ich warte, spüre ich, dass ich mir selbst nicht genug bin. Jeder von uns kennt das, wenn er auf einen Freund oder eine Freundin wartet. Er blickt jede Minute auf die Uhr, ob es noch nicht Zeit für ihr Kommen ist. Er ist gespannt auf den Augenblick, da der Freund oder die Freundin aus dem Zug aussteigt oder an der Haustüre klingelt. Und wie enttäuscht sind wir, wenn statt des Freundes jemand anders an der Haustür steht. Warten erzeugt in uns eine prickelnde Stimmung. Wir spüren, dass wir uns selbst nicht genug sind. Im Warten strecken wir uns aus nach dem, der unser Herz berührt, der es höherschlagen lässt, der unsere Sehnsucht erfüllt.

Wie fühlst Du Dich, wenn Du auf das Kommen eines lieben Menschen wartest? Es tritt etwas Neues in dein Leben. Du wirst beschenkt. Du freust Dich auf den Menschen. Du fühlst Dich lebendig. Starke Gefühle steigen in dir hoch. Du wartest nicht nur selbst. Du wirst auch erwartet. Wie fühlst Du Dich, wenn andere auf Dich warten, wenn Gott auf Dich wartet? Andere haben Erwartungen an Dich. Die Erwartungen können Dich einengen. Aber wenn keiner mehr etwas von dir erwartet, fühlst Du Dich überflüssig.

Die Adventszeit will Dich einladen, im Warten Dein Herz zu weiten und Dich als Erwarteten aufzurichten. Du bist wertvoll. Viele warten auf Dich. Gott wartet auf Dich, damit Du wahrhaft lebst. (Aus: Anselm Grün, Weihnachten – Einen neuen Anfang feiern, Freiburg 1999, S. 16f)

 

Ich wünsche uns einen erwartungsvollen Advent.

Ihr P. Thomas Wunram cpps