Evangeliar

Beiträge "Auf ein Wort"

Zeit zum Aufräumen

Ein Jesus der durchdreht, ein Jesus der Randale macht, ein Jesus der über Tische und Bänke geht, ein Jesus der die heilige Ordnung, das was angeblich immer schon so war, einfach über den Haufen schmeißt, so einen Jesus habe ich im Religions-unterricht nicht kennen gelernt. So ein Jesus passt ja auch nicht in die gängigen Erziehungskonzepte des braven Katholiken und treuen Staatsbürgers.

Der Tempel in Jerusalem war seit Salomon ein Ort, an dem die Menschen spürten, dass Gott nicht fern ist, dass er zu den Menschen steht, dass er mit seinem Volk Leid und Freude teilt, und dass dieser Gott trotz allem nicht verfügbar ist. Dieser Tempel war verkommen zur Markthalle, verkommen zum Heilshandel, verkommen zum Machtinstrument von Wirtschaft und Politik. Gott war in diesem Tempel nutzbar und verwendbar geworden für die, die Geld hatten, für die, die das Sagen hatten. Sie hatten ihn in ihre Taschen gesteckt und gut dabei verdient. - Und - da wird einer zornig, schreit auf. Da ist einer, dem noch etwas heilig ist in dieser Welt. - Ich bin froh, dass uns die Evangelisten diesen Zug Jesu nicht verschweigen.

Und so frage ich mich, wo wird Gott heute vermarktet? Ich glaube, wir können bei uns selber anfangen im ganz Banalen. Auch unser Tempel funktioniert ja hervorragend. Auch wir haben uns daran gewöhnt, dass alles schön geregelt ist, alles seine Ordnung hat. Aber - was wäre denn, wenn dieser Jesus heute bei mir aufräumen würde. Könnte es sein, dass er mir klarmacht, dass da irgendetwas nicht passt: wenn ich für den Frieden in der Welt bete, aber gleichzeitig im eigenen Haus im Unfrieden lebe? Was würde er sagen zu meinem Euro für Misereor im Kollektenkorb? Was würde er sagen gegen die in der Kirche, die immer nur am Alten Festhalten oder die, die das Alte einfach fallen lassen? Wie würde er auf meine Gleichgültigkeit reagieren gegen-über all dem Unrecht, das ich täglich höre und sehe? - Was mag er denken, wenn er mich hier so fromm beten sieht, während es da Menschen gibt in meinem Leben, denen ich einfach nicht vergeben kann und will?

Nein, der Tempel ist nicht in Jerusalem, der Tempel, das bist du und das bin ich. Und manchmal wünschte ich mir, dass er kommt und aufräumt. Ich wünschte mir, dass er wieder Platz schafft für Gott, für das Leben in meinem Leben.

Die Menschen damals bauten den Tempel in Jerusalem, weil sie sich freuten, dass Gott unter uns wohnen wollte. Aber dann haben sie Gott vergessen. Anderes ist ihnen wichtiger geworden. Für Gott war nur noch eine kleine Ecke frei. Da ist Jesus zornig geworden und hat richtig entrümpelt. - Wenn Gott durch die Taufe in mir einen Platz hat, dann bin ich, bist du, jede und jeder von uns ja eigentlich auch so ein Tempel. Und manchmal kann es passieren, dass es uns so geht, wie den Menschen in Jerusalem: Wenn ich ständig vor dem Fernseher hänge oder am Handy, wenn ich am Sonntagmorgen nicht aus den Federn komme, wenn ich null Bock habe auf nichts. Dann hat sich viel Gerümpel angesammelt. Und wir merken überhaupt nicht, dass wir Gott vergessen. Dann ist es Zeit, dass wir da mal aufräumen!

Gottes Tempel, das sind auch wir. Halte diesen Raum rein, schütze ihn, lass nicht zu, dass er zur Markthalle wird, in der alles und jedes möglich wird. Gott ist deine Wirklichkeit und deine Möglichkeit und dafür ist Jesus in den Tod gegangen und auferstanden.

Pater Josef Klingele