Evangeliar

Beiträge "Auf ein Wort"

„Wertesystem“ Jesus Christus

Am Sonntag nach dem Anschlag in Hanau wurde im Gottesdienst ausgerechnet das Evangelium vorgetragen, dass viele bedeutende Frauen und Männer zu einem kompromisslosen Einsatz für Frieden und gewaltfreien Widerstand inspiriert hat: Bertha von Suttner, Mahatma Gandhi, Martin Luther King.

„Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin...Wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann gehe zwei mit ihm.“ Mt 5, 38-48

Von dem Attentäter in Hanau wird berichtet, dass er sich im Internet radikalisiert hat. Über Jahre angefüllt mit kruden Verschwörungstheorien und rassistischer Hetze, brachte er nicht nur die Menschen um, die seinem Feindbild entsprachen, sondern sogar seine Mutter. Eine Gelegenheit, die seine Gedankenwelt bestimmenden Informationen aus dem Internet auf die Probe zu stellen, mit anderen zu diskutieren, an der Realität zu messen, hat er nicht gesucht. Der Presse nach hatte er keine Aussenkontakte, weshalb die Polizei oder der Staatsschutz auch keine Chance hatten, ihn zu enttarnen und vor dem Attentat festzunehmen, wie es bei den anderen zwölf eine Woche früher Gott sei Dank gelungen ist.

An diesem Attentäter von Hanau zeigt sich, das Prävention keine Aufgabe der Polizei oder des Staatsschutzes ist, sondern schon viel früher beginnt: Es unterliegt meiner Verantwortung zu entscheiden, auf was und auf wen ich höre, welchen Nachrichtenquellen ich Beachtung schenke. Ich muss bedenken, zu welchen Handlungen die Gedanken führen, muss „Gut“ von „Böse“ unterscheiden können. Dafür brauche ich ein stabiles Wertesystem.

Für mich persönlich ist dieses „Wertesystem“ Jesus Christus. Weit davon entfernt, sein Ideal zu verwirklichen, weiß ich aber doch: Wenn ich auch die andere Wange nicht hinhalten will, so werde ich doch wenigstens nicht zu dem Schläger, wenn ich mir dieses Wort zu Herzen nehme. Wenn ich auch eine weitere Meile nicht freiwillig mitgehen will, so werde ich doch wenigstens nicht zu dem, der den anderen zwingt zu gehen, wenn ich mir dieses Wort zu Herzen nehme.

Unsere Gedanken, unsere Worte bestimmen unser Handeln. Und deshalb ist es wichtig, darauf zu achten, von wem ich mich beeinflussen lasse und von wem ich beeinflusst werde.

Das hat in unserem Kreis Höxter zwei sehr aktuelle politische Bezüge: Der Auftritt Höckes in der Stadthalle Höxters und ein Flugblatt der AfD in Bad Driburg.

Höckes „Denkmal der Schande“ oder Gaulands „Vogelschiss der Geschichte“ sind nicht nur Schlagwörter, sondern schlagen alle Opfer des Nationalsozialismus, alle Widerstandskämpfer und alle, die nach 1945 eine offene, freie, demokratische Gesellschaft aufgebaut und erhalten haben, ins Gesicht.

Wir haben gute Gründe für ein Verbot von nazigeprägten Begriffen im öffentlichen Diskurs. Höckes „Ich will, dass Magdeburg und dass Deutschland nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit haben. Ich will, dass sie noch eine tausendjährige Zukunft haben.“ ist nicht nur eine Provokation, sondern eine direkte Infragestellung der Bundesrepublik und eine Anknüpfung an das mit zwölf Jahren viel zu lange dauernde „tausendjährige Reich“.

Seit 2015 dient in Bad Driburg das Klemensheim als zentrale Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge. Bisher gab es kein böses Wort und keine Konflikte. Im Gegenteil, viele ehrenamtliche Helfer haben die Menschen dort unterstützt. Jetzt wird das Klemensheim und seine Bewohner in einem Flugblatt verantwortlich gemacht für schlechte Entwicklung im Einzelhandel, im Tourismus, in der Schule, bei der Integration. Und das nur, um den neugegründete Stadtverband der AFD bekannt zu machen und ins Gespräch zu bringen. Gott sei Dank haben alle Fraktionen im Stadtrat auf dieses Flugblatt reagiert und die verdrehten Tatsachen richtiggestellt.

Unsere Gedanken, unsere Worte bestimmen unser Handeln. Und deshalb ist es wichtig, dass ich darauf achte, von wem ich mich beeinflussen lasse und von wem ich beeinflusst werde. Ich habe mich entschieden, mich von Jesus Christus beeinflussen zu lassen.

 

Hubertus Rath, Pfarrer