Neuenheerse

St. Saturnina Neuenheerse

Joseph Krautwald und sein Werk

„Gott schafft keinen Menschen als Kopie. Er schafft nur Originale“, einmalige und unverwechselbare Individuen. Ein schönes Beispiel für dieses gern benutzte Zitat, ein solches Original, unverwechselbar in Person und Schaffen, ist Joseph Krautwald.

Am 7. März 1914 in Borkendorf / Oberschlesien geboren, begann er mit 14 Jahren eine Lehre als Steinmetz, die er ein Jahr später aufgrund seines frühzeitig erkannten künstlerischen Talents in eine Bildhauerlehre umwandeln durfte. Nach deren Abschluss und kurzer Gesellenzeit besuchte Krautwald die Holzschnitzschule in Bad Warmbrunn (Prof. Cyrillo dell’Antonio) und die Bildhauerklasse von Prof. Josef Thorak an der Akademie für bildende Künste in München. Vollendet hat er seine Ausbildung schließlich 1939 bei Prof. Karl Albiker in Dresden. Eine turbulente Kriegs- und Nachkriegszeit schloss sich an, die Joseph Krautwald im Jahre 1949 nach Rheine ins Münsterland führte, wo er sich niederließ und 1951 sein Atelier einrichtete. Joseph Krautwald starb hochbetagt und vielfach ausgezeichnet am 13. Januar 2003 in Rheine.

In seinem außergewöhnlich umfangreichen Schaffen nimmt die sakrale Kunst den breitesten Raum ein; allein über 300 Kreuzwegdarstellungen stammen von ihm, wobei die aus Bronze gefertigten in der Regel mehrfach von einem Modell gegossen wurden.

Auch der Neuenheerser Kreuzweg ist kein Unikat. Aber genau das unterstreicht seinen eigentlichen Wert, der eben nicht in der (quantitativ - spekulativen) Einmaligkeit, sondern in seiner liturgisch - meditativen Bedeutung liegt: Hier soll nicht Kunst um der Kunst willen ausgestellt, sondern - charakteristisch für sakrale Kunst - einer zielgerichteten Aufgabe gedient werden, nämlich der Veranschaulichung des Leidensmysteriums Jesu Christi.

Diese Aufgabe meistert unser Kreuzweg in dem für Krautwald typischen, das Wesentliche vom Peripheren unterscheidenden Nebeneinander aus Fein- und Grobstruktur, aus Konkretem und Abstraktem, bravourös. Die Überzeitlichkeit des Mysteriums drückt sich in der Zeitlosigkeit seiner Darstellung aus; hier liegt wohl der eigentliche Grund dafür, dass die neuen Bronzetafeln mit dem alten Kirchenraum harmonieren, fast wie hineingegossen wirken. Damit wiederum ist die Basis geschaffen für eine Freiwilligkeit der Rezeption, wie Joseph Krautwald sie verstanden haben möchte:

Dieser Kreuzweg drängt sich nicht auf - der Kirchenbesucher kann ihn betrachten oder auch übersehen. Lässt er sich aber auf ihn ein, dann verhelfen ihm die kraft- und inhaltsvollen Darstellungen zu tiefer Erkenntnis.

Und das ist wohl das schönste Kompliment, das man einem sakralen Kunstwerk und seinem Schöpfer machen kann.

Guido Schütte